Strategien zur Machbarkeit von Wohnprojekten auf den Balearen
Einleitung: Wohnen auf den Balearen - zwischen Spekulation und Ausgrenzung
In den letzten Jahrzehnten ist der Zugang zu Wohnraum auf den Balearen von einem Grundrecht zu einem schwer erreichbaren Gut geworden. Eine vom Tourismus abhängige Wirtschaft, die Umwandlung von Wohnraum in Ferienunterkünfte, der Anstieg ausländischer Investitionen in Immobilien sowie der Mangel an verfügbarem Boden haben zu einer beispiellosen Wohnkrise geführt.
Miet- und Kaufpreise steigen stetig, während immer mehr Bewohner von Wohnungslosigkeit bedroht sind – verdrängt aus ihren Gemeinden, gezwungen, beengte Räume zu teilen oder in entfernte Gebiete zu ziehen, manchmal sogar außerhalb der Inseln.
Es entsteht ein neues Profil sozialer Ausgrenzung: berufstätige, teils hochqualifizierte Menschen, die sich aufgrund überhöhter Immobilienpreise keine angemessene Wohnung leisten können. Trotz gesetzlicher Maßnahmen wie dem balearischen Wohnraumgesetz 5/2018 und dem spanischen Gesetz 12/2023 bleiben die Auswirkungen dieser Regelungen bislang unzureichend.
Die Initiative Espais de Vida entwickelt in diesem Kontext neue, nachhaltige Modelle für den Zugang zu Wohnraum auf den Balearen – inspiriert von der Schweizer Stiftung Edith Maryon.
Im Folgenden werden verschiedene Strategien zur Sicherung der langfristigen Machbarkeit und sozialen Wirkung vorgestellt.
Machbarkeitsmodelle
1. Wohnraumbörse der Stiftung - Vertrauenswürdige Vermittlung
KONZEPT:
Plattform, auf der Eigentümer verlässliche Informationen über wohnungssuchende Familien erhalten oder die Verwaltung ihrer Immobilie an eine gemeinnützige Stiftung zur sozialen Vermietung übergeben können (z. B. für Mitarbeitende von Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen).
FUNKTIONSWEISE:
– Die Stiftung fungiert als vertrauenswürdige Vermittlerin zwischen Eigentümern, Unternehmen und Wohnungssuchenden.
– Vermieter erhalten eine gesicherte und faire Miete.
– Tourismusbetriebe und andere Unternehmen können Wohnungen für Mitarbeitende anfragen.
– Aufbau einer Datenbank mit verfügbaren Wohnungen für Saisonarbeiter, Beamte und einkommensschwache Bewohner.
– Sozialarbeiter der Stiftung prüfen die sozialen und wirtschaftlichen Profile der Mieter und garantieren zuverlässige Mietverhältnisse ohne unerlaubte Untervermietung.
VORTEILE:
– Eigentümer profitieren von Sicherheit und professioneller Verwaltung.
– Faire Mietpreise ohne ausbeuterische Zwischenhändler.
– Einnahmen für die Stiftung durch Verwaltungsgebühren.
2. Bau neuer Wohnungen durch öffentliche Kooperationen
KONZEPT:
Kooperationen mit der Regionalregierung, Inselräten und Gemeinden zur Bereitstellung öffentlicher Flächen für Wohnprojekte in Nutzungsgenossenschaften und Co-Housing-Modellen.
FUNKTIONSWEISE:
– Identifizierung geeigneter öffentlicher Grundstücke.
– Entwicklung von Wohnprojekten mit gemeinschaftlicher Nutzung.
– Zusammenarbeit mit ethischen Baufirmen und sozialen Finanzierungsinstitutionen zur Kostenreduzierung.
VORTEILE:
– Bau bezahlbarer Wohnungen ohne große Vorabinvestitionen.
– Replizierbares und skalierbares Modell für verschiedene Gemeinden.
– Förderung von Gemeinschaft und Selbstverwaltung
3. Wohnungsspenden mit lebenslangem Wohnrecht oder Übertragung des «nackten» Eigentums
KONZEPT:
Älteren Eigentümern wird angeboten, ihre Wohnung an die Stiftung zu spenden, wobei sie bis zum Lebensende dort wohnen bleiben dürfen.
FUNKTIONSWEISE:
– Verträge über «Nuda-propiedad» oder Wohnrecht auf Lebenszeit.
– Nach dem Tod des Spenders vermietet die Stiftung die Wohnung günstig weiter.
– Steuerliche Anreize für Spender, um soziale Vermächtnisse zu fördern.
VORTEILE:
– Ausbau des Wohnungsbestands der Stiftung ohne Kauf.
– Sicherheit und soziale Wirkung für ältere Eigentümer ohne Erben.
– Nachhaltige Einkommensquelle für die Stiftung.
4. Umnutzung leerstehender Gebäude zu Wohnraum
KONZEPT:
Leerstehende oder brachliegende Gebäude (Bauruinen, alte Hotels, Verwaltungsgebäude, geschlossene Schulen, Fabriken etc.) werden für bezahlbaren Wohnraum umgebaut.
FUNKTIONSWEISE:
– Zusammenarbeit mit Kommunen zur Identifikation geeigneter Gebäude.
– Abkommen mit privaten Eigentümern zur Umnutzung.
– Nachhaltige Sanierung zur Senkung von Energiekosten und Verbesserung der Effizienz.
– Kombination mit Co-Working-, Bildungs- oder Gemeinschaftsnutzung möglich.
VORTEILE:
– Schnelle Bereitstellung von Wohnraum ohne Neubau.
– Soziale und wirtschaftliche Reaktivierung ungenutzter Immobilien.
– Flexible Wohnformen: z. B. Wohngemeinschaften, modulare Studios, saisonale Unterkünfte.
BEISPIEL:
In Barcelona wurden leerstehende Hotels erfolgreich in günstigen Wohnraum umgewandelt.
5. Genossenschaftliches Wohnen auf Erbbaurecht oder Nutzungsbasis
KONZEPT:
Förderung von Wohnprojekten in Genossenschaftsform auf öffentlichem Boden – Nutzer statt Eigentümer – um Preissteigerungen bei Weiterverkauf zu vermeiden.
FUNKTIONSWEISE:
– Die Stiftung erhält Erbbaurecht über 75–99 Jahre auf öffentlichem Boden.
– Überlassung an eine Wohnungsgenossenschaft.
– Geringe Nutzungsgebühren, kollektive Selbstverwaltung.
– Möglichkeit für generationenübergreifendes oder gemeinschaftliches Wohnen.
– Zugang zu ethischer Finanzierung und öffentlichen Förderungen.
VORTEILE:
– Langfristiges, nachhaltiges Modell ohne Bodenverlust.
– Bezahlbar für junge Menschen, Familien und Senioren.
– Förderung von Selbstverwaltung und Wohnstabilität.
BEISPIEL:
Die Fundació La Dinamo in Katalonien hat erfolgreich Projekte im Rahmen von Nutzungsgenossenschaften umgesetzt.
6. Temporärer Wohnraum für systemrelevante Berufsgruppen
KONZEPT:
Bereitstellung von reguliertem, temporärem Wohnraum für Fachkräfte in Gesundheitswesen, Bildung und Notdiensten.
FUNKTIONSWEISE:
– Abkommen mit öffentlichen und privaten Arbeitgebern zur Mitfinanzierung.
– Nutzung eigener Immobilien oder Vereinbarungen mit Eigentümern.
– Aktivierung leerstehender Wohnungen in der Nebensaison.
VORTEILE:
– Milderung der Wohnkrise für Schlüsselpersonal.
– Verhinderung von Fachkräftemangel in strategischen Bereichen.
– Entspannung des saisonalen Mietmarkts.
BEISPIEL:
Ähnliche Modelle gibt es bereits in der Schweiz und Deutschland.
7. Generationenübergreifende Wohnbörse
KONZEPT:
Vermittlung zwischen älteren Menschen, die allein wohnen, und jungen Menschen oder Arbeitnehmenden auf Wohnungssuche – durch Zimmervermietung im selben Haushalt.
FUNKTIONSWEISE:
– Vermittlungsplattform der Stiftung.
– Verträge mit fairen Mieten und sozialem Begleitprogramm.
– Unterstützung durch Sozialarbeitende zur Förderung sicherer und respektvoller Zusammenlebensformen.
VORTEILE:
– Bekämpft Einsamkeit älterer Menschen.
– Entlastet den Mietmarkt.
– Günstige Lösung mit großer sozialer Wirkung.
BEISPIEL:
Das Programm „Convive“ in Madrid bringt Studierende erfolgreich mit Senioren zusammen.
8. Plattform für Finanzierung und Mikro-Sponsoring von Wohnprojekten
KONZEPT:
Digitale Plattform, über die Bürger*innen und ethische Investoren soziale Wohnprojekte durch Spenden, Mikrokredite oder Beteiligungen unterstützen können.
FUNKTIONSWEISE:
– Initiierung von Wohnprojekten mit Beteiligungsoptionen für Groß und Klein.
– Spenden oder Teilnahme an sozialen Investitionsfonds.
– Volle Transparenz über Mittelverwendung und sozialen Nutzen.
VORTEILE:
– Mobilisierung privater Mittel für soziale Zwecke.
– Beteiligung der Bevölkerung an Lösungen für die Wohnkrise.
– Ergänzende Finanzierungsquelle jenseits öffentlicher Subventionen.
BEISPIEL:
Ethical Property (Großbritannien) hat Millionen für erschwingliche Wohn- und Arbeitsräume mobilisiert.
Fazit: Modellvielfalt für Wirkung und Nachhaltigkeit
Der Zugang zu Wohnraum auf den Balearen ist eine komplexe Herausforderung, die kreative Lösungen, Kooperationen und soziale Ausrichtung erfordert.
Espais de Vida kann hier eine Schlüsselrolle spielen – durch einen Ansatz, deren sozialen Nutzen über den Marktwert stellt.
Grundlegende Bausteine:
– Sozialer Wohnpool unter Stiftungskontrolle.
– Neubauprojekte mit Erbbaurecht und Genossenschaften.
– Wohnspenden mit lebenslangem Nutzungsrecht.
Ergänzende Maßnahmen:
– Umnutzung leerstehender Gebäude.
– Temporärer Wohnraum für systemrelevante Berufe.
– Generationenübergreifendes Wohnen.
– Crowdfunding-Plattform für sozialen Wohnraum.
Voraussetzung ist der Aufbau strategischer Allianzen, einer leistungsfähigen Organisationsstruktur und nachhaltiger Ressourcen. Jetzt ist der Moment für Innovation, Kooperation und den Aufbau eines gerechteren Umgangs mit Grund, Boden und Immobilien auf den Balearen.